Schutzgebiete
Mehrere Studien (IUCN 2004, Magin 2005) haben die winterkalten Wüsten als Naturräume von globaler Bedeutung identifiziert. Laut Magin besitzen die winterkalten Wüsten „einzigartige ökologische Qualität, beherbergen zahlreiche endemische Arten und – v.a. die Sandwüste – eine hohe Biodiversität.“ Die Wüstenökosysteme Zentralasiens sind gelistet in den WWF global 200 ecoregions, also jenen „hotspots“, die weltweit den dringendsten Bedarf an gemeinsamen Naturschutzanstrengungen bedürfen. Der Zustand der winterkalten Wüsten Zentralasienes wird durch den WWF als „kritisch/bedroht“ eingestuft. Als „critically endangered“ werden sie auch von Olson & Dinerstein (1998) bewertet.
Trotz ihrer großen Bedeutung sind die winterkalten Wüsten im regionalen und globalen Netz der Schutzgebiete deutlich unterrepräsentiert (Dinerstein et al. 2017). Die wenigen existierenden Schutzgebiete mit relevantem Schutzstatus sind entweder zu klein, zu fragmentiert, ohne Berücksichtigung von Nutzungszonierungen oder ökologischen Korridoren und ohne entsprechend angepasste Managementkonzepte sowie der damit verbundenen Kapazitäten. Laut UNDP (2015) ist z.B. die Anzahl und Größe der Wüstenschutzgebiete in Usbekistan unzureichend für einen ausreichenden Schutz von Brutvögeln oder die in dem Schutzgebiet lebenden Tiergemeinschaften. Trotz bisheriger großer Anstrengungen der CADI Zielländer Kasachstan, Turkmenistan und Usbekistan, beispielsweise Important Bird Areas (IBA) auszuweisen, besteht nach wie vor ein deutliches Defizit an Schutzgebieten für Zugvögel (Runge et al. 2015).
Im Hinblick auf die Größe und Ausdehnung der Eurasischen winterkalten Wüsten reicht das derzeit bestehende Netz an Schutzgebieten nicht aus, um die Unversehrtheit des Ökosystems zu gewährleisten. Keines der CADI Zielländer wird derzeit den Aichi-Biodiversitätszielen von 2010 gerecht, mindestens 17% der terrestrischen Ökosysteme eines Landes unter Schutz zu stellen. Bezogen auf den Anteil der Schutzgebiete an der Landesfläche insgesamt verzeichnet unter den CADI Zielländern derzeit Kasachstan den höchsten Wert (8,8%), gefolgt von Usbekistan (5%) und Turkmenistan (ca. 4,4%) (CAREC et al. 2015). Diese Karte bietet einen Überblick über die aktuellen Schutzgebiete (Stand 2015) in der CADI Zielregion.
Bisher keine UNESCO Weltnaturerbestätte in den winterkalten Wüsten
Im System der UNESCO Welterbestätten ist das Biom der winterkalten Wüsten das derzeit einzige weltweit, in dem die UNESCO keine Weltnaturerbestätte eingetragen hat (IUCN 2004). Das UNESCO Biosphärenreservat Repetek in Turkmenistan befindet sich seit 2009 auf der vorläufigen Liste zur Nominierung als Weltnaturerbe.
In einer im Rahmen dieses Projekts erstellten räumlichen Analyse wurden Gebiete mit besonderem Schutzbedarf tatsächlich existierenden Schutzgebieten in den winterkalten Wüsten der Projektregion gegenübergestellt. Die Studie dient u.a. der Prioritätensetzung für die im Rahmen von CADI vorgesehenen wissenschaftlich-technische Begründungen für die Einrichtung, Ausweitung oder IUCN Statusanpassung von Schutzgebieten in Kasachstan und Turkmenistan. Ferner werden im Rahmen des Projekts Maßnahmen zur Verbesserung der Effektivität zweier bestehender Schutzgebiete in Kasachstan und Turkmenistan umgesetzt. Die Maßnahmen umfassen u.a. die Entwicklung und Anpassung von Zonierung und Managementplänen sowie Training der Schutzgebietsmitarbeiter.
Im Hinblick auf den Flächenschutz ergibt sich für die CADI-Zielländer folgende Situation:
Kasachstan
Kasachstan ist das neuntgrößte Land der Erde. Etwa 44% seiner Fläche machen Wüsten aus, weitere 14% sind Halbwüsten. Die winterkalten Wüsten umfassen in Kasachstan im südlichen Teil des Landes einen zonalen Gürtel von etwa 900 km von Nord nach Süd und über 3.000 km von Ost nach West. Die ausgedehntesten Wüstengebiete sind die Sandwüste Kysylkum („Roter Sand“) und die Wüste Betpak-Dala („Weiter Raum“).
Insgesamt sind etwa 8,8% der Landesfläche Kasachstans geschützt. Die Schutzgebiete umfassen 10 streng geschützte Naturreservate (Zapovednik, IUCN Kategorie Ia), 13 Nationalparks (IUCN Kategorie II), fünf Schutzzonen und verschiedene weitere Schutzobjekte (CAREC 2015). Von den Wüsten und Halbwüsten befinden sich etwa 7,2% unter Schutzstatus: drei streng geschützte Naturreservate (Zapovednik), zwei Nationalparks, vier Naturdenkmäler, vier Schutzzonen (Zapovednaja Zona) und 19 Zakazniks. Eine Übersicht über die Schutzgebiete in Kasachstan gibt diese Karte.
Die streng geschützten Naturreservate (Zapovednik) dienen in Kasachstan dem Schutz von Flora und Fauna sowie der Forschung. Ein striktes Schutzregime verbietet den Zugang und jegliche Aktivitäten auf dem Territorium der Zapovedniks.
In den Zakazniks sind begrenzte und regulierte wirtschaftliche Tätigkeiten erlaubt. Ihr Zweck ist der Erhalt und die Wiederherstellung des staatlichen Naturerbes. In der Regel sind in Kasachstan Schutzgebiete dieses Typs verknüpft mit anderen Schutzgebieten in naturräumlichen Zusammenhang, deren Mitarbeiter auch das Management des Zakaznik übernehmen. Eigenes Personal haben Zakazniks nicht, wodurch das Management auch eher schwach ausgeprägt ist.
Im Rahmen von CADI erfolgt die Ausarbeitung von wissenschaftlich-technischen Begründungen für neue Schutzgebiete in Nord- und Süd-Ustjurt. Die Aktivität wird umgesetzt von der Association for the Conservation of Biodiversity in Kazakhstan (ACBK) in Kooperation mit der Michael Succow Stiftung.
Turkmenistan
Mehr als 80% des Territoriums Turkmenistans wird von der Karakum-Wüste eingenommen – eines Gebiets mit einzigartiger biologischer Vielfalt, jahrhundertealten Landnutzungstraditionen und reicher Kulturgeschichte.
Das Schutzgebietsnetz Turkmenistans umfasst derzeit neun streng geschützte Naturreservate (Zapovednik, IUCN Kategorie Ia). Einige von ihnen sind von staatlichen Biotop-/Artenschutzgebieten (Zakazniks, IUCN Kategorie IV) oder Schutzzonen (IUCN Kategorie V) umgeben, wobei die beiden Schutztypen jeweils gemeinsam verwaltet werden. Zudem gibt es 17 Naturdenkmäler (IUCN Kategorie III). Die Schutzgebiete nehmen mit 925.000 Hektar etwa 4% der Landesfläche ein, wovon 1,6% die streng geschützten Naturreservate ausmachen.
Ein Indiz für die politische Relevanz des staatlichen Wüstenschutzes ist die Einrichtung eines neuen staatlichen Zapovednik in der zentralen Karakum-Wüste („Bereketli Karakum“) mit einer Fläche von 87.000 Hektar im Jahr 2013.
Die staatlichen Naturreservate haben ein strenges Schutzregime und schließen die Nutzung natürlicher Ressourcen durch die einheimische Bevölkerung mit nur wenigen Ausnahmen aus. Die Reservate dienen nicht nur dem Schutz der Biodiversität, sondern auch Forschungszwecken sowie dem Erhalt genetischer Ressourcen.
Das UNESCO-Biosphärenreservat Repetek wurde 1928 eingerichtet. Das Reservat steht seit 2009 auch auf der vorläufigen Liste der UNESCO zur Nominierung als Weltnaturerbe. Hierauf aufbauend soll im Rahmen von CADI zusammen mit den nationalen Behörden Turkmenistans ein Nominierungsdokument zur Eintragung von „Repetek“ in die Liste der UNESCO Weltnaturerbestätten vorbereitet werden.
Ferner ist Rahmen von CADI die Ausarbeitung einer wissenschaftlich-technischen Begründung für die Einrichtung, Ausweitung oder IUCN Statusanpassung eines Schutzgebietes in Turkmenistan geplant.
Eine Übersicht über die aktuellen Schutzgebiete Turkmenistans gibt diese Karte.
Usbekistan
Usbekistan hat insgesamt ein breites Netzwerk an Schutzgebieten: 7 streng geschützte Naturreservate (Zapovednik, IUCN Kategorie Ia), 1 Complex (landscape) Zakaznik (IUCN Kategorie Ib), 3 Nationalparks (IUCN Kategorie II), 12 Biotop-/Artenschutzgebiete (Zakaznik, IUCN Kategorie IV), 2 UNESCO Biosphärenreservate und mehrere Zentren zur Wiederauswilderung bedrohter Vögel und Huftiere. Insgesamt umfassen die Schutzgebiete eine Fläche von 2,4 Millionen Hektar und damit etwa 5% der Landesfläche. Zusätzlich gibt es etwa 25 Wasserschutzgebiete.
Obwohl fast 85% Usbekistans von winterkalten Wüsten oder Halbwüsten bedeckt ist, ist das Biom im nationalen Schutzgebietssystem deutlich unterrepräsentiert. Winterkalte Wüsten sind teilweise geschützt im Rahmen eines Zapovedniks („Kyzylkum“, IUCN Kategorie Ia) und eines Complex (landscape) Zakazniks („Saigachiy“, IUCN Kategorie Ib). Die Schutzgebiete umfassen etwa 3,5% der Fläche der winterkalten Wüsten Usbekistans (Zagrebin et al., 2012), sodass die Aichi-Biodiversitätsziele derzeit weit verfehlt werden.
Das größte Schutzgebiet Usbekistans in den winterkalten Wüsten ist der Complex (landscape) Zakaznik im nördlichen Karakalpak-Ustjurt an der Grenze zu Kasachstan. Es dient speziell dem Schutz der Saiga-Antilope (Saiga tatarica). Im Rahmen eines UNDP/GEF Projekts wurden Maßnahmen zur Erhöhung der Effektivität des bereits bestehenden Schutzgebietes (IUCN Kategorie IV) sowie seiner Vergrößerung umgesetzt. 2016 wurde dann von der usbekischen Regierung der erste Complex (landscape) Zakaznik Usbekistans eingerichtet. Er umfasst 628.300 Hektar bei einer Schutzzone von 219.800 Hektar.
Eine Übersicht über die Schutzgebiete in Usbekistan gibt diese Karte.